(Von Teilnehmenden der Frühjahrstagung erarbeite Aspekte zum Satz „Menschenrechte bedeuten für mich…“, versinnbildlicht am Beispiel des „Menschenrechtsbaums“)
Im Folgenden finden Sie eine kurze Zusammenfassung der Frühjahrstagung 2021 des Arbeitskreises Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe.
Die Frühjahrstagung fand am 24. und 25. Juni 2021 aufgrund der aktuellen COVID-19 Situation online statt. Die Veranstaltung wurde vom Arbeitskreis Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe des DeGEval in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) und dem Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) ausgerichtet.
Donnerstag, 24. Juni 2021
Jörg Faust (DEval), Anna Würth (DIMR), sowie ein Sprecher des AK-Epol-HuHi, Thorsten Bär (World Vision) begrüßten zunächst die Teilnehmenden der Frühjahrstagung.
09:50 – 10:15 Uhr „Menschenrechte bedeuten für mich …“
Noch vor dem ersten inhaltlichen Vortrag zum Thema der diesjährigen Frühjahrstagung wurden die Teilnehmenden im virtuellen Veranstaltungsraum gebeten, eigene Überlegungen aufzustellen, was Menschenrechte sind und welche Werte diesen zugrunde liegen. Am Beispiel von zwei „Menschenrechtsbäumen“ (Verlinkung hier und hier) trugen die Teilnehmenden der Frühjahrstagung somit aktiv zum Diskurs über Fragen der Menschenrechte bei.
10:15 – 11:00 Uhr Menschenrechte: Definition, Abgrenzung, Kontextualisierung
Anna Würth (DIMR) stellte in ihrer einführenden Präsentation zum Thema Menschenrechte vor, wie der Begriff der Menschenrechte definitorisch gefasst werden kann. Durch ihre Darstellung der Meilensteine der Menschenrechte, beginnend bei der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UN-Generalversammlung von 1948, wurde in Bezug auf das heutige Verständnis von Menschenrechten deutlich, dass eine Neukontextualisierung und Spezifizierung von Menschenrechten prozessual stattfinden. Sie betonte, dass Staaten die Menschenrechte achten, schützen und gewährleisten müssen. In Bezug auf die Verbindung von Menschenrechten und Entwicklungszusammenarbeit gab Anna Würth an, dass Durchführungsorganisationen und NGOs ihre Sorgfaltspflicht beachten müssen und ging auf die Unterscheidung von Pflichten-Tragenden und Rechte-Inhabenden ein.
11:15 – 12:00 Uhr Menschenrechtsbasierte Ansätze in Evaluation – Vorstellung und Reflexion
Lena Taube und Martin Bruder (DEval) gaben in ihrem Vortrag einen Überblick über Menschenrechtsbasierte Ansätze explizit innerhalb der Evaluationsarbeit. Sie zeigten auf, dass innerhalb der evaluatorischen Arbeitsprozesse Menschenrechte und menschenrechtliche Prinzipien eine große Rolle spielen können. In allen Phasen der Evaluation, von Planung und Design über Erhebung und Analyse bis zur Disseminierung können Menschenrechte systematisch einbezogen werden. Dafür bieten Taube und Bruder in ihrem Vortrag verschiedene Entscheidungspunkte an, die wie Regler verstanden und mehr oder weniger spezifisch umgesetzt werden können. So kann beispielweise innerhalb der Planung einer Evaluation die menschenrechtliche Situation im Fallstudienland anhand von relevanten ratifizierten Menschenrechtsverträgen untersucht werden. Abschließend beschrieben die Vortragenden menschenrechtsbasierte Evaluierung als ein Qualitätsmerkmal einer erfolgreichen Evaluation, welche eher durch eine Haltung getragen wird und weniger durch das Abhaken von Checklisten.
13:30 – 15:30 Gruppenarbeiten
Die Teilnehmenden der Frühjahrstagung nahmen im weiteren Verlauf an einem von zwei parallel stattfindenden Workshops teil.
Workshop A zu Menschenrechten als Querschnittsthema in Evaluation: Standards, Leitfragen und Vorgehensweise
Referierende: Ilse Worm (freie Evaluatorin) und Marco Hanitzsch (CoResult)
Dieser Workshop beschäftigte sich mit dem Thema der Menschenrechte als Querschnittsthema in Evaluationen und es wurden Standards, Leitfragen und Vorgehensweisen diskutiert. In einer einführenden Präsentation durch die Referierenden wurde anhand von Beispielen die Integration von Leitfragen zu Menschenrechten in die OECD DAC-Evaluierungskriterien sowie spezifische Fragestellungen zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten vorgestellt. In zwei Gruppenübungen mit Fallbeispielen aus der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe analysierten die Teilnehmenden die Vorhaben hinsichtlich menschenrechtlicher Aspekte. Dies beinhaltete beispielsweise auch die Identifizierung von Rechteinhaber*innen und Pflichtenträger*innen. In einem zweiten Schritt wurden entlang der DAC-Evaluierungskriterien spezifische Evaluierungsfragen entwickelt und diskutiert, wie zentrale Menschenrechtsprinzipien im Evaluierungsprozess berücksichtigt werden sollten. Aus den Gruppenübungen wurde deutlich, wie menschenrechtliche Normen und Prinzipien systematisch in Evaluationen berücksichtigt werden können, sowohl bei der Bewertung von Vorhaben, als auch im Rahmen des Evaluationsprozesses. Diskutiert wurde dabei unter anderem die Umsetzung des Prinzips der Nicht-Diskriminierung sowie die Rolle von lokalen NGOs, die zum Teil sowohl Pflichtenträger*innen sind als auch Vertreter*innen von Rechteinhaber*innen.
Workshop B: Trauma-informed approach to evaluations - sharing of experiences with evaluations in trauma related contexts: Challenges identified and practical
Referierende: Berenice Meintjes (Jikelele Consultancy, South Africa), Ulrike Weinspach (Misereor) und Kirsten Wienberg (medica mondiale)
Kirsten Wienberg und Berenice Meintjes haben in zwei Präsentationen (hier und hier) in diesem Workshop vier Schlüsselprinzipien von Trauma-sensiblen Ansätzen vorgestellt: Sicherheit, Empowerment, Solidarität und Selbstschutz/Organisationaler Schutz. Darüber hinaus haben sie für die Bedeutung eines Trauma-sensiblen Vorgehens sensibilisiert und Erfahrungen von Evaluationen in traumabezogenen Kontexten vorgestellt sowie Empfehlungen gegeben. Die Teilnehmenden des Workshops diskutierten darauffolgend in Kleingruppen über die Inhalte der Präsentationen und machten deutlich, dass einerseits das Design und die Auswahl von partizipativen Methoden und ein gesteigertes Empowerment positive Auswirkungen auf sowohl Evaluationsprozesse als auch auf die beteiligten Stakeholder haben könnte und andererseits eine ausreichende Qualifizierung der Evaluierenden in solchen Trauma-sensiblen Bereichen notwendig ist.
16:00 – 17:15 Uhr Erfahrungsaustauch und Diskussion zu den beiden Workshops
In Flüstergruppen tauschten die Teilnehmenden der beiden Workshops sich miteinander aus und erörterten Ergebnisse sowie offenen Fragen. Im Anschluss haben die Referenten*innen im Plenum aus den Flüstergruppen resultierende Fragen beantwortet.
Freitag, 25. Juni 2021
Um 09:00 Uhr begann der zweite Tagungstag und die Teilnehmenden wurden durch Kirsten Vorwerk, Sprecherin des AK-Epol HuHi (DEval) begrüßt.
09:00 – 10:45 Uhr World Café
Die Teilnehmenden der Frühjahrstagung versammelten sich an drei virtuellen Tischen und diskutierten dabei unterschiedliche Fragestellungen.
Unter der Moderation von Simon Freund diskutierten die Teilnehmenden am ersten virtuellen Tisch folgende Fragen: Was müssen wir verändern, um Menschenrechte in Evaluierungen ernst zu nehmen? Wie können wir menschenrechtsbasierte Ansätze in der Praxis umsetzen? Und was benötigen Auftraggeber*innen und Evaluator*innen dafür? Ein Ergebnis dieser Diskussion war, dass es das Bewusstsein braucht, dass es sich bei Menschenrechten um Rechte handelt und gute Evaluierungen das Thema bearbeiten und Menschenrechtsprinzipien selbst umsetzen müssen (Qualitätsmerkmal). Außerdem müssen menschenrechtsbezogene Fragestellungen für den Evaluierungsgegenstand als Evaluierungsfragen konkret operationalisiert werden. Auch wurde die Bedeutung von menschenrechtsbezogenen Kompetenzen seitens der Evaluierenden besonders hervorgehoben.
Evelyn Funk moderierte die Gesprächsrunde am zweiten virtuellen Tisch mit folgenden Leitfragen: Inwieweit muss im Globalen Süden bei der Beachtung von Menschenrechten in Evaluierung kultursensibel vorgegangen werden? Inwieweit kann und sollte der universale Anspruch der Menschenrechte lokal konkretisiert werden? Die darauffolgende Diskussion konzentrierte sich zuerst auf das Verständnis von Kultursensibilität. Hierbei wurde festgehalten, dass ein Umgang mit Menschenrechten dann kultursensibel ist, wenn aus der Perspektive einer Kultur angemessene Fragen, Formulierungen und Vorgehensweisen für die Evaluierung gewählt werden. So können Menschenrechte ein kultursensibles Framing bekommen, wobei der inhaltliche Kern nicht verändert wird. Zudem müssen die Wertvorstellungen der Evaluierenden reflektiert und nach außen transparent gemacht werden. Außerdem wurde diskutiert, dass konkrete Strategien für einen kultursensiblen Umgang mit Menschenrechten mit Gutachtenden-Tandems entwickelt werden sollten. Gutachtende sollten eine Kulturexpertise mitbringen und ein kultursensibles Framing/Wording beachten. Zudem sollten regionale Menschenrechtskonventionen berücksichtigt und Partnerorganisationen sowie Stakeholder und Rechteinhaber*innen angemessen miteinbezogen werden
Am dritten virtuellen Tisch diskutierten die Teilnehmenden unter der Moderation von Steffen Schimko die folgenden Fragen: Wie können wir mit einer potenziellen Überfrachtung von Evaluationen umgehen, wenn neben den Fragen zu den OECD/DAC-Kriterien noch Querschnittsthemen wie SDG, Menschenrechte, Gender, Inklusion oder ökologische Aspekte beachtet werden sollen? Welche Möglichkeiten für einen Umgang mit diesen Herausforderungen gibt es? Die Diskussion zu diesen Fragen zeigte die Bedeutung der Terms of Reference für eine Evaluierung auf, in denen der Auftrag deutlich gemacht werden muss. Die Verantwortung für eine Fokussierung und Schwerpunktsetzung (im Rahmen der Vorgaben der Mittelgebenden) liegt dabei v.a. bei den Auftraggeberinnen und Auftraggebern. Menschenrechte können hier als Referenzrahmen dienen, da diese bereits viele gängige Querschnittsthemen miteinbeziehen.
11:15 – 12:15 Uhr Evaluation von Menschenrechtsprojekten: Die Förderbereichsevaluierungen Menschenrechte der kirchlichen Träger
In ihrem gemeinsamen Vortrag präsentierten Friederike Subklew-Sehume (Brot für die Welt) und Michael Steinfelder (Misereor) die Förderbereichsevaluationen ihrer beiden Organisationen zum Thema Menschenrechte. Hierbei fokussierten die Referierenden sich auf den Prozess, die zugrunde liegenden Wirkungsmodelle, die methodischen Aspekte der Evaluation von Menschenrechtsprojekten sowie auf die Schritte der Organisationen, um die Verbreitung der Ergebnisse und das Lernen zu fördern. Dabei wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Vorgehensweise der beiden Organisationen dargestellt und erörtert Ein für beide Organisationen wichtiges Thema war beispielweise die Verbreitung der Ergebnisse und das Lernen aus der Evaluation, jedoch unterschieden sich die Herangehensweisen u.a. dadurch, dass auf der einen Seite mit Lern-Teams aus Mitgliedern verschiedener Hauptabteilungen gearbeitet wurde und auf der anderen Seite durch und mit Workshops gemeinsam mit Partnerorganisationen.
12:15 – 13:00 Uhr Bewertung und Impulse: Perspektiven auf die Tagung
In der die Frühjahrstagung abschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von Susanne von Jan (Sprecherin AK-Epol-HuHi, smep-consult) bewerteten die Teilnehmenden die diesjährigen Frühjahrstagung abschließend und gaben Impulse für die weitere Arbeit. Mit Michael Herbst (CBM), Jonas Schubert (TDH, Forum Menschenrechte) und Justine Hunter (freie Evaluatorin) als Podiumsteilnehmende konnten verschiedene Perspektiven in die abschließende Diskussion eingebracht werden. In der Diskussion wurde positiv bemerkt, dass durch die Tagung verschiedene Communities zusammengebracht wurden, z.B. Experten für Menschenrechte mit Evaluierenden und dass ein engerer Kontakt für beide Seiten gewinnbringend wäre. Zudem zeigte sich ein Podiumsteilnehmer überrascht, dass das Thema Menschenrechte und menschenrechts-basierte Ansätze in Evaluierung noch relativ neu zu sein scheine. Hinsichtlich der Impulse wurde empfohlen, in Evaluierungen keinen zu technokratischen Blick auf Menschenrechte zu werfen und über Indikatoren nicht zu sehr in ein Schema-Denken zu verfallen. In diesem Kontext wurde auch die Nutzung von Proxy-Indikatoren angeregt. Weiterhin wurde hinsichtlich vulnerabler Gruppen darauf hingewiesen, dass es hier nicht nur darum gehen dürfe, Personen nicht auszuschließen, sondern eine aufholende Entwicklung zu ermöglichen. Schließlich ist sowohl das Prinzip der Nicht-Diskriminierung, als auch die generelle Einbindung von benachteiligten Menschen ist für eine menschenrechtsbasierte Evaluation von enormer Wichtigkeit, um die Diversität und Qualität von Evaluationen zu fördern.
13:00 – 13:15 Verabschiedung und Ende der Tagung